Ratschläge bei Morbus Crohn: Nicht jeder gut gemeinte Ratschlag ist ein guter Ratschlag

Ratschläge von Angehörigen sind nicht immer hilfreich. Michaela Schara lebt selbst mit Morbus Crohn und verrät, welche Ratschläge hilfreich sind und, welche man besser für sich behalten sollte.

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Michaela Schara

Im vierten Teil unserer Reihe „Leben mit Morbus Crohn - Tipps für Angehörige“, klärt unsere Gast-Autorin Michaela Schara darüber auf, welche Ratschläge wirklich helfen und welche man besser für sich behalten sollte. Fencheltee und Kirschkernkisschen helfen bei Morbus Crohn nämlich nicht. Wer selbst mit Morbus Crohn lebt oder einen Angehörigen hat, der mit einer anderen chronisch-entzündlichen Darmerkrankung lebt, weiß das. Die anderen sollten besser nur Tipps geben, wenn sie um Hilfe gebeten werden. Sonst kann ein eigentlich gut gemeinter Rat auch schnell nach hinten losgehen oder gar als Beleidigung verstanden werden.

Teil 4: Ratschläge

Vorsicht! Hier lauern böse Beziehungsfallgruben. Wir Menschen haben teilweise einen starken „Reparaturtrieb“: Wenn wir hören, dass jemand ein Problem hat, dann versuchen wir sofort, eine Lösung dafür anzubieten. Das betrifft sämtliche Bereiche des menschlichen Daseins. Im Krankheitsfall aber eskaliert es meist ganz heftig.

Ich weiß noch, als ich bei einer Chorprobe eher beiläufig meinen Crohn erwähnte und, dass ich gerade wieder intensivere Durchfälle hatte. Am nächsten Tag fand ich ein Säckchen mit Heidelbeeren an meiner Haustüre, von einer Chorkollegin. Mit dem Zusatz, wie ich mir daraus Tee kochen soll, damit wäre die Sache rasch erledigt.

Das zählt noch zu den harmlosen Dingen. Im Laufe der Jahre ist eine eigene Kiste an teils schrägen, teils witzigen und teils sehr dummen „Geschenken“ zusammengekommen: Steine, Bücher, Tees, Nahrungsergänzungsmitteln, Bilder, Kräuter...

Schlimmer fand und finde ich schriftliche und verbale Übergriffe. Speziell wenn sie von Leuten kommen, die null Ahnung haben, was das ist, dieses „Morbus Crohn“. Aber mir klar und üppig erklären, was ich falsch mache, falsch esse, falsch glaube, falsch lebe und wie ich alles anders und besser machen kann, um für immer geheilt zu werden.

„Ich hasse solche Menschen.“

Wenn ich höflich bin, antworte ich fallweise mit einer alten, biblischen Weisheit: „Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders, den Balken aber in deinem Auge bemerkst du nicht?“ Das setzt nur leider voraus, dass der andere die Fähigkeit zur Selbstreflexion besitzt (und Niveau hat).

Ich empfinde solche „Hilfen“ als richtig schmerzhafte Übergriffe und auch als Beleidigung. Ich lebe seit über 10 Jahren mit der Diagnose, habe mich intensiv mit den medizinischen Hintergründen, Therapiemöglichkeiten jedweder Richtung und meinem eigenen Zugang zu meiner Erkrankung auseinandergesetzt. Ich stehe alternativen Methoden durchaus aufgeschlossen gegenüber und habe mich im Laufe meiner Erkrankung durch das gesamte ABC an Möglichkeiten durchgearbeitet. Teilweise mehrmals. Manches hat mir gutgetan, manches war eine Katastrophe, einiges war interessant, vieles war teuer und fallweise hat es mich vom „crohnischen“ Wahnsinn abgelenkt und in Details das Leben um ein wichtiges Quäntchen erträglicher gemacht.

Ich habe gelernt, wie ich mit mir und mit diesem „crohnischen Ausnahmezustand“ umgehen muss und ich lerne es nach wie vor, weil dieses Studium ein Leben lang dauert und immer wieder neue Herausforderungen vor der Türe stehen.

Mir nun in mehr oder weniger wohlgesetzten Worten zu erklären, dass alles, was ich vorher gemacht habe oder gerade tue, nichts im Vergleich zu dem ist, was mein Gegenüber an Weisheiten und Lösungen zu vergeben hat, ist kränkend. Egal ob es sich um Therapiealternativen, neue Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel, Diätvorschläge oder spirituelle Empfehlungen handelt.

„Bitte nur wirklich nützliche Ratschläge!“

Liebe Mitmenschen: Das Erwähnen einer chronischen Erkrankung ist nicht gleichzusetzen mit der Bitte um Hilfe und Ratschläge. Wenn der°die Kranke Bedarf am einen oder anderen hat, wird er oder sie es euch mitteilen.

Es gibt aber auch hier ein paar Ausnahmen und die finden sich im Bereich der Menschen, mit denen ich im ständigen Kontakt bin und denen ich vertraue. Also gute Freunde und meine Familie. Die wissen, was ich (und auch andere CED Patienten°innen) von ungefragten Ratschlägen halten. Aber gleichzeitig haben sie auch eine zwischenmenschliche „Wild-Card“, mit der sie mir dann und wann sagen können, was ich vielleicht gerade außer Acht gelassen habe oder (noch) nicht weiß:

  • Dass ich zum Beispiel die Ruhepausen einhalten soll, die meine Ärzte, meine Therapeuten und mein Körper für notwendig erachten und ich gerade wieder Gefahr laufe, mir zu viel zuzumuten. Und die auf dieser Meinung beharren, auch wenn ich grantig kommuniziere, dass ich „nur noch schnell das hier fertig mache und dann Ruhe gebe usw.“ (...) Sie erinnern mich an meine Grenzen, zeigen mir den Weg retour, wenn ich sie überschritten habe und bestehen darauf, mich zurück zu begleiten. Auch wenn ich stur bin und erst Tage später eingestehe, dass sie Recht hatten ;-)

  • Dass es News im Bereich der Diagnostik und Therapie von CED gibt, neue Medikamente am Markt sind, neue Erkenntnisse und Behandlungsmethoden und mir damit Mut machen. Weil das bedeutet, dass da andere Menschen an den Ursachen und Therapiemöglichkeiten weiter forschen und somit meine Zukunft verlängern.

  • Dass sie von etwas gehört haben, das anderen geholfen hat und sie mir davon berichten möchten und die Entscheidung, die ich aus dieser Information treffe, ohne Vorbehalte akzeptieren. Weil sie wissen, dass ich ihren Rat nicht als Schlag, sondern als einen ernsthaft guten Hinweis unter Freunden empfinde. Und weil ich weiß, dass sie wissen, was das ist, dieses CED, und wer ich bin, die ich damit lebe(n muss).

Diese Wild-Card bekommen nur Menschen, denen ich vertraue und die ich gut kenne. Wenn man sich das vorab klar ausmacht, dann ist auch klar, wo die Grenzen sind und was verträglich ist, ohne übergriffig zu werden. Umgekehrt weiß ich diesen Einsatz als liebevolle Fürsorge zu schätzen und es tut gut zu wissen, dass da wer ist, der ein Auge auf einen hat.

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