Den Autopiloten abstellen, bewusst leben und jeden Moment genießen. Das ist für jeden wichtig – egal ob man mit einer chronischen Erkrankung, wie Mukoviszidose lebt oder nicht. Kommt eine Erkrankung, wie Mukoviszidose, ins Spiel, bekommen Achtsamkeit, Meditation und ein bewusster Umgang mit dem Leben im Allgemeinen – und der chronischen Erkrankung im Besonderen – einen noch größeren Stellenwert. Denn die bewusste Achtsamkeit kann sich positiv auf die Gesundheit auswirken. Das hat auch unsere Gastautorin Denise erfahren. Sie lebt mit Mukoviszidose, genießt den Moment und versucht, auch in einfachen Dingen die Schönheit zu sehen, die das Leben mit sich bringt. Durch die bewusste Achtsamkeit beeinflusst Denise nicht nur ihren Alltag positiv, sondern hört auch auf ihren Körper, weiß mittlerweile, welche Maßnahmen gut für ihre Gesundheit sind und, wie sie immer wieder zu ihrem inneren Gleichgewicht findet. In diesem Beitrag schreibt sie darüber, was Achtsamkeit für sie bedeutet und, wie dies ihren Tagesablauf beeinflusst. Damit hilft sie auch anderen Menschen, die mit Mukoviszidose leben, den Weg zu mehr Achtsamkeit zu finden und ein positives und selbstbestimmtes Leben zu führen.
„Achtsamkeit“ ist ein kleines Wort mit einer sehr großen Wirkung. Zumindest in meinem Leben hat sich durch ein wenig mehr Achtsamkeit sehr vieles zum Guten verändert – vor allem in Bezug auf meine Gesundheit. Doch was bedeutet es eigentlich, „achtsam“ zu sein? Und was hat das mit Mukoviszidose zu tun? Auf diese Fragen und mehr möchte ich in diesem Beitrag eingehen.
Was bedeutet „Achtsamkeit“?
„Achtsam“ zu sein oder zu leben, beutetet lediglich, den eigenen Fokus auf das Hier und Jetzt zu richten und bewusst wahrzunehmen, was im eigenen Körper, im Geist und um einen herum passiert. Es bedeutet, den sogenannten „Auto-Piloten“, den wir zu einem Großteil unseres Lebens angeschaltet haben, bewusst auszuschalten. Was mit dem „Auto-Piloten“ gemeint ist? Stelle dir vor, du fährst Auto. Alles, was du tust, das Schalten, das Setzen der Blinker, die Spurenwechsel, läuft ganz automatisch ab, ohne, dass du deine Aufmerksamkeit bewusst darauf lenken musst. Jetzt erinnere dich aber mal an deine ersten Fahrstunden, als du deinen Führerschein gemacht hast und daran, mit welcher wachen Bewusstheit du jede einzelne Tätigkeit bei der Autofahrt ausgeführt hast. Das ist Achtsamkeit.
Und was ist Mukoviszidose?
Mukosvizidose ist eine angeborene Stoffwechselerkrankung, die vor allem die Lunge, aber auch alle anderen Organe betrifft. Aufgrund eines Gendefektes funktioniert der Austausch von Salz und Wasser im Körper nicht ordnungsgemäß, was dazu führt, dass ein zähflüssiges Sekret in der Lunge entsteht und dieses mit der Zeit nach und nach die Organe beschädigt. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt derzeit etwa 45 Jahre und es gibt rund 8.000 Betroffene in Deutschland. Das Leben mit Mukoviszidose erfordert tägliche Inhalationen, regelmäßigen Sport und die Einnahme vieler Medikamente, sowie intravenöser Antibiotikatherapien in regelmäßigen Abständen.
Was hat Achtsamkeit also mit Mukoviszidose zu tun?
Gerade mit einer Erkrankung wie Mukoviszidose, die so viele, routinierte Therapiemaßnahmen erfordert, rutscht man schon in jungem Alter in den oben beschriebenen Auto-Piloten, was natürlich auch in diesem Fall vorerst gut und richtig ist, da es vor allem in der Kindheit und Jugend von immenser Wichtigkeit ist, diese Maßnahmen sehr regelmäßig und routiniert auszuführen. Auf der anderen Seite, kommen wir dann im Erwachsenenalter an und nehmen oft kaum noch bewusst wahr, was wir da tun und hinterfragen unsere bisherigen Methoden nicht, weil wir meinen, „alles im Griff“ zu haben. Da bleibt wenig Raum für ein „Neu-Denken“ oder eine Optimierung der eigenen Therapiegewohnheiten.
Als ich begann, mich mit dem Thema Achtsamkeit auseinanderzusetzen, wurde mir bewusst, dass ich sehr festgefahren war in meiner Art und Weise, mit der Erkrankung umzugehen und dass ich mir selbst noch nie bewusst Gedanken darum gemacht hatte, was mir persönlich eigentlich gut tut. Ich begann, meine Therapiemaßnahmen und meine Gesundheit aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ich probierte selbst aus, zu welchen Tageszeiten mir bestimmte Inhalationen am meisten halfen, wann welche Sporteinheiten oder die Physiotherapie gut für mich und meine Lunge waren und begann auch, meine Inhalationen und Atemübungen bewusster durchzuführen. Ich lernte, in meinen Körper hinein zu horchen und zu lernen, was meinem Körper und vor allem meiner Lunge gut tut – denn wir alle sind verschieden und es ist unmöglich, eine Behandlungsweise über uns alle drüber zu stülpen!
Ein achtsamer Tag mit Mukoviszidose
Wie so ein achtsamer Tag mit Mukoviszidose aber nun bei mir aussieht? Das erzähle ich dir jetzt!
Meditation
Tatsächlich ist die Meditation mittlerweile ein fester Bestandteil meines Alltages, und zwar starte ich direkt am Morgen damit. Hierbei ändert sich meine Technik immer mal wieder, doch für den Anfang reicht es, einfach nur seinen Atem zu beobachten und zu üben, Gedanken einfach nur kommen und gehen zu lassen, ohne sie zu bewerten und ohne an ihnen festzuhalten – wie Wolken, die am Himmel vorbeiziehen. Mir persönlich hat das tägliche Meditieren nicht nur auf persönlicher Ebene sehr helfen können, sondern es hat mir tatsächlich auch sehr geholfen, mit meiner Erkrankung umzugehen. Bei einem kürzlich durchgeführten Meditationsretreat in Kolumbien, habe ich beispielsweise lernen und am eigenen Leib spüren können, wie wandelbar alles ist, wie eine Sinnesempfindung, die wir in einem Moment haben, im nächsten wieder verschwinden kann. Das hat mir in Bezug auf die Mukoviszidose geholfen, zu verstehen, dass, auch wenn es mir gerade nicht so gut geht oder ich z.B. schlecht Luft bekomme, dies in Kürze wieder vorbeiziehen wird und ich mir deshalb im Hier und Jetzt keine Sorgen machen muss.
Sport und Bewegung
Als nächstes setze ich mich meist eine Weile hin und arbeite. Da ich selbstständig bin und von zuhause aus arbeiten kann, lassen sich meine Routinen und Therapiemaßnahmen wunderbar in meinen Arbeitsalltag integrieren. Für mich persönlich ist dies die beste Arbeitsweise, vor allem mit einer solchen Krankheit, da ich mein eigener Chef sein und meine Arbeit frei einteilen kann. Danach rolle ich meine Yogamatte aus und bewege mich etwa eine halbe Stunde. Dabei mache ich einige Übungen, um die Lunge zu mobilisieren und zu dehnen, andere sind dazu da, um meinen Rücken und Nacken zu stärken oder um mich allgemein einfach beweglicher zu machen. Mir persönlich tut das sehr gut, vor allem weil ich dabei jeden Muskel in meinem Körper spüren kann und auch die bewusste Atmung meiner Lunge nur dient. Danach geht’s unter die Dusche. Bis dahin lasse ich übrigens mein Smartphone im Flugmodus, um nicht direkt am Morgen von allen möglichen Nachrichten und Benachrichtigungen überflutet und somit direkt in einen reaktiven Modus katapultiert zu werden – das hilft mir sehr, den Fokus zu behalten.
Ernährung
Dann folgt das Frühstück. Hinsichtlich der Ernährung mit Mukoviszidose wird pauschal gesagt, dass man, neben anderen Dingen, sehr kalorienreich essen soll. Das war bei mir auch viele Jahre der Fall, bis ich selbst das Gefühl hatte, ständig nur noch zuzunehmen. Mir fiel auf, dass diese Ernährungsweise nicht mehr so auf mich zutraf wie früher und ich begann, meine Ernährung umzustellen. Dabei bemerkte ich, dass ich mich nicht nur lange sehr fettreich ernährt hatte, sondern im Umkehrschluss auch sehr, sehr wenige Vitamine zu mir nahm und überhaupt keinen Gefallen an Gemüse und Obst hatte. Nach und nach begann ich mich also für eine gesündere Ernährungsweise zu interessieren und bis heute probiere ich mich an allen möglichen neuen Gerichten und Ernährungsweisen aus. Dabei den Körper zu beobachten und wie ich mich auch persönlich dabei fühle, ist mir sehr wichtig. Die Probleme, die ich viele Jahre mit meiner Verdauung gehabt hatte, welche von Ärzten immer auf meine Grunderkrankung geschoben wurde, haben sich somit nach und nach gebessert, sodass ich heute immer besser weiß, was ich gut vertrage und was nicht.
Inhalationen
Nach dem Frühstück folgt bei mir immer das Inhalieren. Welche Medikamente ich gerade inhaliere, ändert sich von Monat zu Monat, da ich zwei inhalative Antibiotika im Wechsel inhaliere. Meist setze ich mich aber ganz entspannt hin, lese ein Buch oder schaue ein Youtube-Video auf meinem Laptop, während ich an meinem Inhalationsgerät paffe. Manchmal inhaliere ich zusätzlich eine Kochsalzlösung und am Abend gibt es eine weitere Inhalation, neben dem Antibiotikum. Generell inhaliere ich etwa 3 bis 5 Mal täglich.
Mein restlicher Tag
Dann beginnt mein „normaler“ Tagesablauf, der allerdings ganz davon abhängt, wo ich mich gerade herumtreibe. Oftmals bin ich im Ausland unterwegs, um meiner Reiseliebe nachzugehen, was bedeutet, dass ich zwar weiterhin von dort arbeite, allerdings mehr Zeit damit verbringe, meine Gegend zu erkunden oder Ausflüge zu starten. Während der Stunden nach dem Inhalieren arbeite ich dann, esse zu Mittag, arbeite noch einige Stunden mehr und unterbreche diese zwischendurch mal, indem ich einen kleinen Spaziergang mache. Hierbei versuche ich das Handy oft zuhause zu lassen und stattdessen ganz bewusst meine Umgebung wahrzunehmen und im Moment zu bleiben. Am Abend unternehme ich entweder was mit Freunden oder tobe mich beispielsweise noch bei einem Tanz- oder Yogakurs, oder beim Schwimmen, aus. Dann wird zu Abend gegessen und nochmals inhaliert. Vor dem Schlafengehen schreibe ich gern nochmal ein wenig – hier notiere ich mir unter anderem Dinge, für die ich dankbar bin – und höre vielleicht noch ein Hörbuch zum Einschlafen. Und so geht ein achtsamer Tag mit Mukoviszidose zu Ende…
Der Weg hin zu einem achtsameren Leben braucht seine Zeit und geht nicht von jetzt auf gleich. Auch ich bin hier und da gestresst und weiß nicht, wo mir der Kopf steht, doch Achtsamkeit hilft mir sehr, immer wieder meine innere Mitte, meinen inneren Kompass zu finden und auf mich und meinen Körper zu hören. Ich hinterfrage auch weiterhin immer wieder meine Methoden, meine Ernährung, sowie meine Sportmaßnahmen und passe diese auch ab und an neu an, auch wenn ich immer versuche, eine neue Methode erst Routine werden zu lassen, um zu schauen, wie sie mir bekommt. Und auch wenn der Weg nicht ganz kurz sein mag, beginnt er dennoch immer mit dem kleinsten Schritt, den wir alle jederzeit nehmen können.
Wenn Sie selbst eine chronische Erkrankung haben und sich wünschen, mal eine (längere) Reise in Angriff zu nehmen, gibt es von Denise einen umfangreichen Ratgeber und Mutmachkurs zum Thema. Das eBook „Reisen mit Krankheit: Sprenge deine Grenzen!“ gibt Ihnen alle wichtigen Infos mit an die Hand, die Sie benötigen, um eine Reise mit chronischer Krankheit anzutreten, inklusive Tipps und Tricks, Geschichten zur Inspiration und ganz praktischen Erfahrungswerten. Erfahren Sie mehr unter: www.deniseyahrling.com/reisenmitkrankheit
Das könnte Sie auch interessieren: