Eine chronische Erkrankung fordert viel Mut, Kraft und Ausdauer. Mal ist der Körper gefragt, mal eher der Kopf. Eva bekam im Jahr 2012 nach einem etwa 7 Jahre langem Arztmarathon die Diagnose Morbus Crohn. Auf ihrem Blog Evalescam.com teilt sie ihre Erfahrungen mit der Erkrankung und beschreibt ihren Weg hin zu neuer Stärke. Die Erkrankung hat ihr bis dahin geführtes Leben stark verändert. Ein wahres Steh-auf-Männchen-Talent war und ist weiterhin gefragt. Eva hat ihren Weg gefunden trotz Morbus Crohn ein glückliches, erfülltes Leben zu führen. In diesem Beitrag schreibt sie darüber, wie Sport Menschen mit einer CED helfen kann und wie man die Belastungen in den unterschiedlichen Krankheitsphasen am besten anpasst.
Große Unsicherheit herrscht bei der Frage: Ich habe eine chronische Darmerkrankung – kann ich überhaupt Sport treiben?
Die Antwort schonmal vorweg: Unbedingt!
Aufgrund der Erkrankung und der verabreichten Medikamente (egal ob bei Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa) kann es im Körper zu Schäden kommen, wie z.B. Knochenschwund (Osteoporose), Autoimmunreaktion, Gewichtsverlust und natürlich psychische Beeinträchtigungen (Depression). Hier kann man mit regelmäßiger Bewegung den Verlauf und das Befinden positiv beeinflussen.
Wichtig ist hier aber auch, wie bei Medikamenten: Die Dosis macht´s!
Mit generellen Empfehlungen ist es hierbei schwierig, denn die Erkrankung hat tausend Gesichter. Jeder Krankheitsverlauf kann ziemlich individuell verlaufen. Deshalb wäre es an dieser Stelle vermessen, das „Geheimrezept“ zu verkaufen. Aber, was für alle CEDler gilt, ist, dass sie in den unterschiedlichen Krankheitsphasen ihre Belastungen anpassen sollten. Hier unterscheidet man zwischen dem Schub und der Remission.
Im Schub sind die Entzündungswerte höher und die Symptome der Erkrankung nehmen zu. Meist liegen wir in der Phase flach, fühlen uns nicht wohl und wollen alles, nur nicht weit weg von Zuhause oder der Toilette. Ein intensives Training ist hier nicht zu empfehlen.
Hier sollte moderat (mit geringer Intensität) trainiert werden. Es gilt: Alles ist besser als nichts.
Mein Doc hat mal gesagt, man könne sein Hirn etwas in die Irre führen. Bevor Dich die Krämpfe komplett runterziehen, bewege Dich. Hört sich an wie ein schlechter Witz, was? Aber durch die Bewegung nimmst Du den Schmerz nicht mehr so stark war, kann sogar sein, dass Du ein wenig entspannst…die Krämpfe lösen sich leichter.
Dies hängt mit dem Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus zusammen. Sie sind Teil des vegetativen Nervensystems. Sie sind funktionell gesehen meist Gegenspieler: Während der Sympathikus den Organismus auf eine Aktivitätssteigerung („fight or flight“) einstellt, überwiegt der Parasympathikus in Ruhe- und Regenerationsphasen („rest and digest“). In Aktivität, quasi im Jagdmodus, werden die Verdauungsprozesse gehemmt und somit kann man sich das mal kurz zu Nutze machen, wenn die Schmerzen zu sehr hochkommen. Sollte jedoch nicht die Dauerlösung sein, sich ständig unter Stress zu setzen.
Also im Schub lieber alles geschmeidig angehen ohne komplett durchzuhängen. Denn auch für die Psyche ist die Bewegung enorm wichtig.
Ein paar Schritte durch die Wohnung, einige leichte Übungen auf dem Teppichboden...Wenn möglich natürlich raus und eine Runde um den Block walken oder auch nur spazieren gehen.
Back on Track – wie komme ich nach einem Schub wieder zu Kräften?
Wie schaffst Du es dann wieder nach einem kleinen „Absturz“, einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes, einer Verschlimmerung der Symptome wieder auf Kurs zu kommen?
Erstmal ist es ganz wichtig, ehrlich zu Dir selbst zu sein. Das ist gar nicht so einfach, denn manchmal spielt man sich selbst gern was vor, insbesondere dann, wenn etwas sich in eine Richtung entwickelt, die man selbst nicht so schön findet.
Die Kunst ist es, hier einen Weg zwischen der eigenen Aufrichtigkeit, der Selbstreflexion und der gefährlichen Überinterpretation zu finden. Denn zu viel Gefrage nach wieso, weshalb, warum... würde einen eher in die Frustration führen. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt noch, zu dem die tatsächlichen Ursachen der Erkrankung noch nicht geklärt sind.
Sei ehrlich zu Dir selbst.
Warum geht es Dir jetzt schlechter? Hast Du Dich so ernährt, wie es Dir bekommt? Hattest Du viel Stress? Hast Du Dir Zeit für Entspannung genommen? Gibt es Dinge, die Dich mental belasten? Fühlst Du Dich überfordert – wenn ja, warum?
Stell Dir diese Fragen! Meist fällt einem doch etwas auf, was vielleicht gerade nicht gut läuft. Arbeite daran und ziehe eine Lehre für Dich heraus! Denn Du bist derjenige, der letztendlich leidet. Es dankt Dir später keiner, dass Du noch die ein oder andere Sache termingerecht eingereicht hast, und dann 3 Wochen ausfällst. Das ist eigentlich schlimmer, als, wenn du die Hand gestreckt hättest, um zu sagen, dass Du etwas mehr Zeit brauchst, um es in gesunden Rahmenbedingungen fertigzustellen.
Findest Du nichts, woraus Du lernen kannst? Mhmm, manchmal ist das auch leider so. Manchmal schlägt der Crohn auch einfach zu, weil Du Dir noch einen Infekt zugezogen hast oder es einfach mal die Laune der Natur ist. Dann bitte auch so hinnehmen und nicht noch ärgern. Es ist, wie es ist. Das kannst Du jetzt nicht ändern. Aber Deinen Umgang damit kannst Du beeinflussen und das Leben für Dich angenehmer gestalten.
Nach den Momenten der Selbstreflexion greife dort an, wo Du die Schwachstellen erkannt hast.
Bei mir ist es häufig eine Mischung aus Dingen, die dann auf einmal zu viel werden.
Was hilft mir da am besten?
Ich setze dann sehr viel auf Ruhe. Ich gebe dem Körper den Schlaf, den er sich holen möchte. Manchmal geht das sogar gar nicht, weil die Schmerzen so stark sind. Dann beruhige ich mich mit Atemübungen und leichten Übungen, damit der Körper entkrampft und der Geist abgelenkt ist.
Meditation, Entspannung und leichte Bewegung sind ein wichtiger Bestandteil, um sich zu erden und vor allem auch im Alltag sich selbst Zeit zu geben, auf sich und seinen Körper achtsam zu hören.
Nicht nur, wenn es Dir schlecht geht, solltest Du entspannen, sondern Dir am besten jeden Tag Zeit gönnen, in der Du bewusst achtsam bist, meditierst oder andere Methoden nutzt, die Dir verhelfen zu entspannen und Dich selbst wahrzunehmen.
Es hört sich immer so albern an für Leute, die Meditation immer direkt mit Räucherstäbchen und Batikhosen verbinden. Aber das ist es ganz und gar nicht. Und das schreibt jetzt eine Person, die wirklich nicht gerade unskeptisch diesen Methoden gegenüber eingestellt war. Es hilft wirklich enorm und es ist so einfach. Und es tut so gut. Ich bin mehr Ich, wenn ich mir diese Zeit gönne. Ich bin mehr Ich, wenn ich ehrlich zu mir selbst bin und erkennen kann, was aktuell nicht richtig läuft, mich stresst oder mich hemmt. Vor allem bin ich aber auch mehr Ich, wenn ich die Dinge schätze, die gut sind und mich glücklich stimmen. Und all das wird einem nicht beim Staubsaugen, Einkaufen, Fernsehschauen oder so bewusst…so etwas kannst Du erst richtig über Dich erfahren, wenn Du Dich mit Dir auseinandersetzt. Dir Zeit für Dich nimmst!
Neben diesem unglaublich wichtigen Faktor lege ich bei schlechten Phasen dann meist nochmal ein paar Tage eine Diät ein.
Ich ernähre mich dann von den Lebensmitteln, die ich besonders gut vertrage und reduziere mich auf diese. Meist bereite ich sie dann auch noch schonender zu als vielleicht in der Zeit davor. Sobald die Symptome sich reduzieren und ich mich kräftiger fühle, erweitere ich dann die Auswahl der Nahrungsmittel wieder langsam.
In schlechten Phasen trainiere ich nicht so wie sonst. Geht auch schlecht, wenn der ganze Körper schmerzt und ich mich nicht auf den Beinen halten kann. Aber trotzdem versuche ich, den Kreislauf in Schwung zu halten und meine Muskulatur nicht komplett abschwächen zu lassen. Ein heftiges Workout wäre da kontraproduktiv. Aus unterschiedlichen Gründen: Zum einen würde es den Körper erneut belasten und zum anderen stresst es dann auch den Kopf wieder. Denn da kommt schnell Frustration hoch, wenn es nicht so läuft, wie es sollte. Also tendiere ich dann eher zu Spaziergängen, leichten Yoga- und Pilatesübungen. Das entspannt, entkrampft und sorgt dafür, dass ich nicht ganz abbaue.
Studien belegen, dass Ausdauersportarten mit einer mäßigen Belastung von 30 bis 60 Minuten den stimmungsaufhellenden Botenstoff Endorphin sowie Serotonin freisetzen. Genau diese stressabbauenden Hormone sorgen für das entspannte Gefühl nach einem Workout. Endorphine machen glücklich und heben die Stimmung. Regelmäßiger Sport regt die Blut- und Sauerstoffversorgung des Gehirns an. Die geistige Fitness wird gestärkt. Egal, ob die Arbeit, Konflikte mit Freunden oder Kollegen, während des Sports liegt die Konzentration allein auf der Übung.
Also auch irgendwie fast meditativ. Korrekte Übungsausführungen sorgen für Ablenkung. Probleme, blöde Gedanken, die Dich zuvor gestresst haben, rücken nach der Belastung in ein positiveres Licht. Regelmäßige Bewegung reguliert den Stresspegel im Körper. Der durch Sport aktivierte Stoffwechsel trainiert die Ausschüttung der Stresshormone. Resultat ist eine gewisse Stressresistenz, die uns erneute Stressmomente etwas gelassener erleben lässt.
In schwächeren Phasen eher leichtes Workout und dann steigere so langsam irgendwann wieder die Intensität.
Und Du merkst, wann es wieder geht. Denn, wenn Du achtsam auf Deinen Körper hörst, dann weißt Du, was zu tun ist!
Klar schreien der Ehrgeiz und die Ungeduld manchmal ziemlich laut im Kopf. Versuche sie zu zähmen und dosiert als Motivation zu nutzen. Denn was nützt es einem zwischendurch kurz total hoch zu fliegen, um dann wieder längere Zeit am Boden zu sein?
Meine Lektionen aus vergangenen Bruchlandungen:
„Ich passe meine Flughöhe an. Lieber tiefere Höhe, aber dafür über eine längere Distanz, als extreme Höhenflüge und der latenten Gefahr von Bruchlandungen und langer Reparatur- und Wartungszeiten.“
In der Remission ist prinzipiell alles erlaubt, was Spaß macht. Hier kann jeder ganz individuell austesten, wo die Grenze ist. Geht dazu bitte, wenn möglich raus an das Tageslicht. Vitamin D3 wirkt sehr gut auf die Knochendichte, wird aber nur durch Tageslicht aktiviert.
Passt bei einer Immunsuppression bitte auf, dass ihr gut angezogen seid sowie gut eingecremt und besprecht das alles nochmal mit eurem Arzt.
Wie plant man eigentlich ein Ausdauertraining?
Hier empfehle ich die Karvonen Formel. Sie reicht für den Hobbysportler vollkommen aus. Hierzu braucht ihr eure maximale Herzfrequenz (220 – Lebensalter) = HFmax. Dann euren Ruhepuls (berechnet ihr aus einer Messung eures Pulses VOR dem Aufstehen morgens an drei verschiedenen Tagen und daraus der Mittelwert) = RP. Dann den Faktor: für intensives Ausdauertraining: 0.8 (nur für Profisportler), für extensives Ausdauertraining: 0.6 (mittel gut trainiert), für Untrainierte: 0.5 (für Leute die nie Sport treiben). Das Ganze kommt in diese Formel:
HFtrain. = (HFmax − RP) x Faktor + RP
Der damit ausgerechnete Wert, ist der Puls, den ihr im Training haben solltet. Hier braucht ihr eine Pulsuhr.
Das ist aber nur eine Möglichkeit, wenn ihr Probleme habt eure Leistungsgrenze einzuschätzen. Ich habe hier eigentlich auch ganz oft auf mein Bauchgefühl gehört. Denn manchmal unterscheidet sich auch in Remission meine Belastbarkeit. Mit der Zeit konnte ich meinen Zustand immer besser einschätzen. So habe ich es geschafft, wieder stärker und fitter zu werden, ohne mich zu überfordern.
In dem Sinne: Tut das, was ihr könnt – aber was tun ist besser als nichts tun. Es lohnt sich, die Angst zu überwinden.
Trainiert ihr richtig, wird es zu eurem Wohlbefinden beitragen und euch etwas Kontrolle über eure Erkrankung zurückgeben. Gern erzähle ich Euch da auch mehr zu, wenn ihr Interesse habt. Schreibt mich einfach dazu an.
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