Die ankylosierende Spondylitis (AS) oder auch Morbus Bechterew ist eine Form der Arthritis, welche die Wirbelsäule betrifft, vor allem bei Männern im späten Teenageralter oder im Alter von 20 Jahren. Sie ist durch Entzündungen gekennzeichnet und kann dazu führen, dass Knochen wuchernd wachsen und miteinander verschmelzen. Das Immunsystem spielt bei der Krankheitsentwicklung zweifellos eine Rolle, aber die Frage, in welche Kategorie AS einzuordnen ist - autoimmun oder autoinflammatorisch – unterliegt mehreren Debatten. Ankylosierende Spondylitis ist besser bekannt als Morbus Bechterew.
Was ist Morbus Bechterew?
Morbus Bechterew oder auch Ankylosierende Spondylitis ist eine Form der Arthritis, welche die Wirbelsäule betrifft. Das Wort „ankylosierend“ bezieht sich auf die Art und Weise, wie Knochen miteinander verschmelzen können, während sich „Spondylitis“ speziell auf eine Entzündung des Wirbels bezieht.
Schmerzen und Steifheit im unteren Rückenbereich sind das häufigste Symptom von Morbus Bechterew. Sie treten normalerweise ab dem späten Teenageralter oder im Alter von 20 Jahren auf und verschlimmern sich im Laufe der Zeit. Letztendlich kann es dazu kommen, dass sich überschüssige Knochen bilden und diese miteinander verschmelzen. Dies kann zusätzlich zu Steifheit, Schmerzen, Inflexibilität oder einer gebeugten Haltung beitragen.
Bei vielen Menschen mit Morbus Bechterew kommt es auch zu einer Augenentzündung, vermutlich deshalb, weil das am häufigsten mit AS assoziierte Antigen HLA-B27 (dazu später mehr) mit Uveitis (Entzündung der mittleren Augenhaut) zusammenhängt.
Angesichts des typischen Erkrankungsalters ist klar, dass es sich bei Morbus Bechterew nicht um eine degenerative Form von Arthritis (wie z.B. Osteoarthritis) handelt. Vielmehr wird die Entzündung mit ziemlicher Sicherheit durch eine Störung des Immunsystems verursacht. Handelt es sich also um eine Autoimmunerkrankung wie rheumatoide Arthritis oder ist AS eine andere Form einer immunvermittelten Krankheit?
Ist Morbus Bechterew eine Autoimmunerkrankung?
Vielleicht.
Hierbei müssen drei Begriffe berücksichtigt werden, für die es bis dato keinen allgemeinen Konsens bezüglich einer Definition gibt. Es ist eher so, dass sie sich mit wachsendem Wissen über Immunsystemerkrankungen stetig weiterentwickeln. Die Begriffe sind wie folgt:
- Immunvermittelte entzündliche Erkrankungen
- Autoimmunerkrankungen
- Autoinflammatorische Erkrankungen
Eine kurze Zusammenfassung, was welcher Begriff bedeutet:
1. Immunvermittelte entzündliche Erkrankungen
Ein umfassender Begriff, der normalerweise für Krankheiten verwendet wird, welche durch jegliche Fehlfunktionen des Immunsystems verursacht werden und gleichzeitig durch Entzündung geprägt sind. Im Grunde ist jede immunvermittelte entzündliche Krankheit automatisch durch Entzündung geprägt, da Entzündungen eine zentrale Bedeutung für die Funktionsweise des Immunsystems darstellen.
Abgesehen davon, dass das Immunsystem in irgendeiner Art und Weise beteiligt ist, gibt der Begriff keinen Anhaltspunkt für spezifische Mechanismen einer bestimmten Krankheit. Es ist eher ein nützlicher Sammelbegriff, da immunvermittelte Krankheiten oftmals nicht genau kategorisiert werden können.
Darüber hinaus sind immunvermittelte Krankheiten äußerst komplex. Wissenschaftler müssen noch viele Aspekte der zugrunde liegenden Mechanismen solcher Krankheiten vollständig verstehen. Bis mehr über sie bekannt ist und ihnen eine genauere Bezeichnung zugeordnet werden kann, können diese Krankheiten als immunvermittelte entzündliche Erkrankungen angesehen werden.
Über einige Krankheiten weiß man allerdings bereits genug, um sie weiter einordnen zu können.
2. Autoimmunerkrankungen
Obwohl die Begriffe immunvermittelte Entzündungskrankheiten und Autoimmunkrankheiten häufig synonym verwendet werden, könnte die letztere auch als spezifischere Unterkategorie der ersteren angesehen werden.
Ihr Immunsystem reagiert auf fremde Antigene wie Viren und Infektionen, indem es Antikörper gegen sie bildet. Dies wird als adaptive Abwehr bezeichnet, da das Immunsystem individuell auf einzelne Bedrohungen reagiert, wenn solche auftreten.
In der Regel dauert es circa zwei Wochen bis das Immunsystem wirksame Antikörper produziert. Einmal vorhanden sind sie ziemlich langlebig, weshalb Sie nach der einmaligen Entwicklung von Antikörpern jahrelang gegen einige Viren und Infektionen immun bleiben und Impfstoffe sie Jahrelang schützen können.
Die meisten glaubwürdigen Definitionen einer Autoimmunerkrankung legen nahe, dass der Körper aufgrund der Anwesenheit von auto - Antikörpern gesunde Zellen in Ihrem Körper angreift. Autoantikörper zielen es aufgrund der Anwesenheit von auto Antigenen auf körpereigene Zellen und Gewebe ab, da Ihr Immunsystem diese als fremde Angreifer identifiziert.
Multiple Sklerose, Typ-1-Diabetes, rheumatoide Arthritis und Lupus sind nur ein paar Beispiele bekannter Autoimmunerkrankungen. Obwohl sie sich in ihrer Symptomatik stark unterscheiden, konnten die jeweiligen entsprechenden Autoantikörper identifiziert werden. Gleichermaßen können auch die T- und B- Zellen identifiziert und mit spezifischen Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht werden. Diese spezifischen Zellen werden von dem adaptiven Immunsystem zur Erfüllung seiner Aufgaben verwendet.
Es ist nicht genau bekannt warum Autoimmunerkrankungen auftreten, aber eine Kombination aus genetischen und Umweltfaktoren scheint das Risiko einer Erkrankung festzulegen, während Viren und Infektionen als Auslöser fungieren können.
Folgendes könnten Sie auch interessant finden:
- 5 Fragen, die Jeder zu Rheuma und Arthritis stellt
- Der Rheumafaktor- wichtig aber nicht unproblematisch
3. Autoinflammatorische Erkrankungen
Während Autoimmunerkrankungen in erster Linie mit der adaptiven Abwehr des Immunsystems zusammenhängen, werden autoinflammatorische Erkrankungen häufiger mit der natürlichen Abwehr des Immunsystems in Verbindung gebracht.
Die natürliche Abwehr gilt als die erste Verteidigungslinie des Immunsystems und umfasst physische Barrieren wie Haut, Körperhaare, Magen-Darm- und Atemwege, Flüssigkeiten wie Schleim, Magensäure und Speichel; und allgemeine Abwehrreaktionen wie Entzündungen.
Das natürliche Immunsystem löst bei Bedarf auch die adaptive Abwehr aus.
Die Stärke des natürlichen Immunsystems besteht darin, dass es in der Lage ist, sofort zu reagieren, sobald eine Bedrohung identifiziert wurde, und einen allgemeinen (oder unspezifischen) Schutz gegen Antigene bietet.
Der Begriff „autoinflammatorische Krankheit“ wurde erst vor etwa 20 Jahren geprägt, um Krankheiten zu kategorisieren, die dadurch gekennzeichnet sind, dass das natürliche Immunsystem den Körper fälschlicherweise angreift und Entzündungen verursacht. Es wird angenommen, dass sie durch Mutationen an Genen verursacht werden, die bei der Regulierung des natürlichen Immunsystems eine Rolle spielen.
Da von autoinflammatorischen Erkrankungen allgemein angenommen wird, dass sie eng mit dem Immunsystem zusammenhängen, stellt das Fehlen von Autoantikörpern (und autoantigenspezifischen T- und B-Zellen) einen wesentlichen Unterschied zwischen ihnen und Autoimmunerkrankungen dar.
Morbus Bechterew: Autoimmun oder Autoinflammatorisch?
Es wurden bis dato keine Autoantikörper identifiziert und mit Morbus Bechterew in Verbindung gebracht, was bedeutet, dass es im Allgemeinen nicht als Autoimmunkrankheit angesehen wird. Allerdings weist Morbus Bechterew andere Merkmale auf, die als typisch für eine Autoimmunerkrankung gelten.
Zum Beispiel kann, laut der Spondylitis Association of America, „in einigen Maus- und Rattenmodellen, die einer Spondylitis ankylosans ähneln, die Krankheit von einem Tier auf ein anderes übertragen werden, indem die Lymphozyten (eine Art weißer Blutkörperchen) dem erkrankten Tier entnommen, und einem gesunden Tier injiziert werden.“
Dies deutet auf eine Verbindung zum adaptiven Immunsystem hin, da T- und B-Zellen (die Art der vom adaptiven System erzeugten Zellen) Lymphozyten sind.
Das Vorliegen der Antigen Untergruppe HLA-B27 deutet ebenfalls auf eine Autoimmunkrankheit hin. Mehr als 90% aller von Morbus Bechterew betroffenen Menschen haben das HLA-B27 Antigen. Die Häufigkeit variiert drastisch, je nach Bevölkerung und ethnischer Herkunft (zwischen 0.1%-0.5% bei Menschen Japanischer Herkunft bis zu 24% im Norden Skandinaviens).
Wie im obigen Artikel erwähnt, wird vermutet, dass HLA-B27 eine T-Zellen-Antwort aktivieren kann, was einen weiteren Zusammenhang zwischen dem Antigen und der Abwehr des adaptiven Immunsystems darstellt.
Es wird allerdings auch angenommen, das HLA-B27 Bakterien im Körper verändern und somit die Reaktion der natürlichen Abwehr beeinflussen kann. Dies würde in Verbindung mit dem Fehlen von Autoantikörpern auf eine autoinflammatorische Erkrankung hindeuten.
Ist Morbus Bechterew also ein bisschen von beidem?
Die beiden Teile des natürlichen und des adaptiven Immunsystems arbeiten nicht völlig unabhängig voneinander. Sie vereinen sich auf komplexe Art und Weise um Viren, Infektionen, Bakterien und andere Bedrohungen zu bekämpfen.
Gleichermaßen wird vermutet, dass Autoimmunerkrankungen und autoinflammatorische Erkrankungen keine völlig unabhängigen Instanzen sind. Es ist viel wahrscheinlicher, dass es ein Spektrum gibt, auf welchem die verschiedenen Krankheiten zu finden sind. An beiden Enden gibt es Krankheiten, welche definitiv dem einen oder anderen zugeordnet werden können, aber es ist ebenso möglich, dass viele immunvermittelte entzündliche Krankheiten die Eigenschaften beider gemeinsam haben.
Die Art und Weise, in der das HLA-B27-Antigen das Immunsystem so stark beeinflusst, weist darauf hin, dass Morbus Bechterew eine Krankheit sein könnte, die irgendwo in der Mitte liegt.
Es scheint nur ein feiner Unterschied zu sein, aber für Wissenschaftler ist ein besseres Verständnis der Pathogenese solcher Krankheiten von großer Bedeutung, um wirksamere Behandlungsoptionen zu entwickeln.
Die HLA-B-Antigenfamilie ist ein faszinierendes Forschungsgebiet, da sie unterschiedliche Auswirkungen auf das Immunsystem zu haben scheint. Je besser wir sie verstehen, desto mehr Einblick gewinnen wir nicht nur in die Spondylitis ankylosans (besser bekannt als Morbus Bechterew), sondern in eine ganze Reihe immunvermittelter entzündlicher Erkrankungen.
Weitere Blogbeiträge, welche Sie interessieren könnten: