Antidepressiva stehen schon seit langem im Verdacht, eine Gewichtszunahme zu begünstigen. Vielen Menschen mit Depressionen, die sich behandeln lassen wollen, bereitet diese mögliche Gewichtszunahme Grund zur Sorge.
Führen Antidepressiva zu einer Gewichtszunahme?
"Die Einnahme von Antidepressiva erhöht […] das Risiko für eine Gewichtszunahme. Angesichts der steigenden Anzahl von Menschen mit Depressionen mit Bedarf für solche Medikamente ist dies beunruhigend, gerade aufgrund des gleichzeitig weltweit steigenden Anteils übergewichtiger und adipöser Menschen in der Bevölkerung."
Mit diesem Satz beginnt ein Artikel des Deutschen Gesundheitsportals aus dem letzten Jahr.
Der Artikel bezieht sich auf eine britische Studie, welche feststellte, dass Menschen, die Antidepressiva einnahmen, eher zunahmen als Menschen die keine Antidepressiva einnahmen, insbesondere wenn die Einnahme über mehrere Jahre hinweg erfolgte.
Aus der Studie ging hervor, dass Mirtazapin, in Deutschland unter dem Handelsnamen Remergil erhältlich, der wahrscheinlichste Auslöser einer Gewichtszunahme ist . Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass Antidepressiva ein letztes Mittel zur Behandlung milder Depressionen sein sollten und dass andere Methoden, wie beispielsweise eine Therapie, bevorzugt werden sollten.
Die Studie ist nur eine von vielen, welche einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Antidepressiva und einer Gewichtszunahme sieht. Manche Experten schätzen sogar, dass jeder vierte bei einer Einnahme von Antidepressiva bis zu viereinhalb Kilo zunimmt. Obwohl bis jetzt noch nicht nachgewiesen werden konnte, dass Antidepressiva direkt zu einer Gewichtszunahme führen, scheint es auf jeden Fall einen Zusammenhang zu geben.
Einige Antidepressiva – oder Gruppen von Antidepressiva – werden eher mit einer Gewichtszunahme in Verbindung gebracht als andere, unter anderem:
- Trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin (in Deutschland unter anderem als Saroten, Elavil und Amineurin erhältlich), Imipramin (Tofranil) und Doxeprin (Aponal oder Doneurin)
- MAO-Hemmer wie Tranylcypromin (in Deutschland unter dem Handelsnamen Jatrosom erhältlich)
Es gibt Hinweise darauf, dass trizyklische Antidepressiva und MAO-Hemmer, welche beide zu den älteren Gruppen von Antidepressiva gehören, am ehesten zu einer Gewichtszunahme führen.
Modernere selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer – die am häufigsten verschriebenen Antidepressiva – wurden jedoch auch mit Gewichtszunahme in Verbindung gebracht, darunter Paroxetin (ParoLich, Paroxalan, Paroxat, Seroxat, Tagonis), Sertralin (Zoloft), Fluoxetin und Citalopram (Cipramil). Einige Studien haben ergeben, dass eine langfristige Einnahme (sechs Monate oder länger) von SSRIs eher zu einer Gewichtszunahme führt als eine kurzfristige Einnahme.
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Der Zusammenhang zwischen Antidepressiva und einer Gewichtszunahme
Der genaue Zusammenhang zwischen Antidepressiva und Gewichtszunahme ist bis jetzt noch nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch zwei allgemeine Theorien, welche ihn erklären könnten.
Die erste Theorie ist, dass Gewichtszunahme tatsächlich ein Zeichen dafür sein könnte, dass die Antidepressiva wirken.
Theorie 1: Essen wieder genießen können
Die Freude am Essen verlieren, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme sind bekannte Symptome einer Depression.
Es liegt daher nahe, dass eine Behandlung von Depressionen den Genuss von Essen und auch den Appetit zurückbringen kann, was logischerweise dazu führt, dass man wieder an Gewicht zunimmt. Ebenso kann eine wirksame Behandlung von Depressionen Menschen wieder sozial aktiver machen, wodurch man öfters auswärts essen geht und Alkohol konsumiert.
Umgekehrt essen einige Menschen auch aufgrund ihrer Depressionen zu viel und bemerken im Umkehrschluss, dass eine Einnahme von Medikamenten ihr Hungergefühl hemmt. Dies, zusammen mit mehr Energie und einer größeren Motivation Sport zu machen, kann erklären, warum einige Menschen bei der Einnahme von Antidepressiva eher Gewicht verlieren als zuzunehmen.
Diese verschiedenen Lifestyle-Faktoren können unter anderem eine Erklärung sein, warum Studien, welche die Gewichtsveränderung im Zusammenhang mit der Einnahme von Antidepressiva untersuchen, untereinander nicht stimmig sind. Einen großen Einfluss auf Gewichtsverlust oder -zunahme nehmen während der Einnahme von Antidepressiva vor allem die persönlichen Symptome einer Depression und dem anschließenden Verhalten nach der Behandlung.
Diese Theorie erklärt jedoch nur bedingt, warum verschiedene Antidepressiva stärker mit Gewichtszunahme (oder -abnahme) in Verbindung gebracht werden als andere.
Theorie 2: Auswirkungen auf den Stoffwechsel und den Appetit
Norman Sussman, Psychiater und stellvertretender Dekan für postgraduale medizinische Programme an der NYU School of Medicine, erklärte gegenüber webmd, dass manche seiner Patienten nachdrücklich darauf bestehen, dass sie zwar an Gewicht zunehmen, aber nicht mehr essen.
Dies, sagt Sussman, legt nahe, dass es ebenfalls einen metabolischen Einfluss gibt, der zu einer Gewichtszunahme führen kann.
Er erklärt außerdem, dass er Patienten hatte, welche selbst nach einer großen Mahlzeit ein erhöhtes Hungergefühl hatten, insbesondere ein Verlangen nach Kohlenhydraten. Die Schwierigkeit, den Appetit zu zügeln kann ebenfalls zu übermäßigem Essen und einer Gewichtszunahme führen.
Im Gegensatz zu der vorhergehenden Theorie über die Rückkehr der Freude am Essen, deutet dies darauf hin, dass Antidepressiva den Stoffwechsel und Appetit direkt beeinflussen können.
Viele Experten glauben, dass sich dieser Effekt wahrscheinlich auf Serotonin bezieht, dem Neurotransmitter, auf den die meisten Antidepressiva wirken. Es wird seit längerem angenommen, dass Serotonin dabei hilft, den Appetit zu regulieren und neue Studien weisen sogar nach, dass Serotonin im Fettstoffwechsel eine Rolle spielt.
Letztendlich tragen vermutlich beide Theorien ein Element der Wahrheit in sich, während des Weiteren auch noch andere, unbekannte Faktoren beteiligt sein können.
Was kann man tun?
Praktisch alle Medikamente sind mit einem Risiko von Nebenwirkungen behaftet. Obwohl Gewichtszunahme eine mögliche Nebenwirkung vieler Antidepressiva ist, muss sie nicht zwingend eintreten. Viele Menschen nehmen nicht oder nur wenig zu, einige verlieren das Gewicht wieder, sobald sich ihr Körper an die Medikamente anpasst, und andere nehmen ab, sobald sie mit der Einnahme von Antidepressiva beginnen.
In manchen Fällen nehmen Menschen das aufgrund verschiedener depressiver Symptome zu- oder abgenommene Gewicht nach Beginn einer Therapie wieder ab (oder zu), was an sich als etwas Positives gewertet werden kann.
Für andere ist die Gewichtszunahme jedoch ein größeres Problem. Es kann unter anderem ihr Selbstvertrauen schädigen und ihr Risiko für andere Erkrankungen im Zusammenhang mit Übergewicht oder Fettleibigkeit erhöhen.
Letztendlich müssen alle Ihre Bedenken mit Ihrem Arzt besprochen werden. Wenn Ihnen Antidepressiva verschrieben wurden, wird empfohlen, dass Sie sie genauso einnehmen, wie beabsichtigt, es sei denn, Ihr Arzt hat mit Ihnen einen individuellen Einnahmeplan erarbeitet. Antidepressiva sollten in keinem Fall abrupt abgesetzt werden, da Sie sonst eine Verschlimmerung der ursprünglichen Symptome oder weitere Nebenwirkungen verspüren könnten.
So frustrierend und zeitaufwendig es auch sein mag, es kann mehrere Anläufe brauchen, um eine Behandlung zu finden, die sowohl effektiv als auch frei (oder fast frei) von Nebenwirkungen ist. Sobald Sie sie gefunden haben, können Sie jedoch eine verbesserte Lebensqualität genießen, ganz ohne unerwünschte Gewichtszunahme oder andere Nebenwirkungen.
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